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Redakteure von derStandard.at fordern Gleichbehandlung: Brief an Oscar Bronner


UPDATE: Solidaritätsbekundungen von kleine.at, kurier.at, den Freien Mitarbeitern im ORF, der „Wiener Zeitung“, DiePresse.com und der Journalistengewerkschaft

Die Online-Journalisten der Tageszeitung „Der Standard“ protestieren in einem Brief an „Standard“-Herausgeber Oscar Bronner gegen arbeitsrechtliche Missstände und Ungleichbehandlung innerhalb des Verlagshauses. Die standard.at-Redakteure fordern „bessere Arbeitsbedingungen und eine gerechte Entlohnung“. Die Mediengruppe Online veröffentlicht hier den Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bronner,

DER STANDARD und derStandard.at stehen im österreichischen Medienwettbewerb für Qualitätsjournalismus und transportieren dieses Image auch nach außen. Allein: Diesen Qualitätsanspruch vermissen wir im Umgang mit Ihren MitarbeiterInnen. Hier gibt es immer noch ein Zweiklassensystem.
Auf der einen Seite stehen die KollegInnen der Print-Redaktion, die dem Journalisten-Kollektivvertrag unterliegen. Wir Journalistinnen und Journalisten der Online-Redaktion hingegen werden als „RedakteurInnen“ im IT-Kollektivvertrag oder gar als „InternetbetreuerInnen“ geführt. Als solche sind wir in jeder Hinsicht schlechter gestellt: finanziell, rechtlich und sozial. Es schadet der Moral, dass unsere Arbeit gering geschätzt wird.

Wir sind keine InternetbetreuerInnen. Wir sind JournalistInnen. Wir verlangen, als solche wertgeschätzt, bezeichnet, angestellt und vergütet zu werden. Unsere Vertragsverhältnisse entsprechen nicht unserer Arbeit.
derStandard.at hatte für viele Medienunternehmen eine Vorbildfunktion: Als erstes deutschsprachiges Medium gab es uns im Internet. Der Erfolg gibt uns recht. Dieser Vorreiterrolle heißt es nun auch in arbeitsrechtlichen Belangen gerecht zu werden.
Wir arbeiten jeden Tag einen Schritt an der Medienzukunft und der Zukunft unseres Unternehmens. Dabei sind Flexibilität, Kreativität und Einsatz gefragt. Wir sind zugleich LayouterInnen, FotografInnen, RedakteurInnen und GrafikerInnen. Wir berichten live, interaktiv, fundiert. Unsere Arbeit wird von unseren UserInnen und KollegInnen aus der Branche geschätzt. Wir gewinnen Preise und zeigen jeden Tag, dass qualitätsvoller Online-Journalismus möglich ist. Weder sind wir eine Redaktion niedrigerer Ordnung, noch ist es das Produkt unserer Arbeit.

Unsere Fähigkeiten werden aber nicht entsprechend entlohnt. Bei Anstellung verdient man für eine Vollzeitstelle bei derStandard.at 2200 Euro brutto. In den meisten Fällen werden dabei Vordienstzeiten als freier Dienstnehmer oder als Angestellter nicht berücksichtigt. Für Sonntagsarbeit gibt es keinen Zuschlag, Randdienste werden nur zwischen 23 Uhr und 7 Uhr gesondert vergütet. Das Gehalt wird nicht regelmäßig inflationsangepasst.

Selbst innerhalb der Redaktion gibt es noch ein Gefälle zwischen gleichwertigen KollegInnen. Besonders Teilzeitkräfte werden in die Scheinselbstständigkeit gedrängt und arbeiten als freie Dienstnehmer zu noch schlechteren Konditionen. In der Praxis agieren sie dennoch wie Angestellte, werden auch in die Dienstpläne eingetragen und müssen zu fixen Zeiten arbeiten. Sie bekommen vor Abzug von Steuern und Sozialversicherung ab 11,30 Euro in der Stunde. Freie Dienstnehmer sind es meist nicht freiwillig. Wer wann und unter welchen Bedingungen angestellt wird, folgt keinem nachvollziehbaren Modell. Neue Mitarbeiter werden zum Teil angestellt, langjährige RedakteurInnen warten nach wie vor darauf. Willkür ist hier Tür und Tor geöffnet. Wir wollen transparente Regeln für Anstellungen. Außerdem sollte – wie in anderen Unternehmensteilen – die Anstellung von Teilzeitkräften in der Redaktion genauso erfolgen, wenn eine Anstellung der Realität des Dienstverhältnisses entspricht.

Wir werden in alledem seit zu vielen Jahren auf einen neuen Journalisten-Kollektivvertrag vertröstet, der alles besser machen soll. Deshalb hat sich für die einzelnen JournalistInnen auch in guten Geschäftsjahren wenig verbessert, während das Unternehmen gewachsen ist. Wir wollen nicht länger warten.
Vom Gebaren und der Argumentation des VÖZ als Unternehmer-Interessenvertretung bei den Verhandlungen des neuen KV fühlen wir uns vor den Kopf gestoßen. Die geschäftlichen Entscheidungen der Vergangenheit und die Vertragssituation unserer Print-KollegInnen dürfen unserer Gleichbehandlung nicht länger im Weg stehen. Sie sind nicht unser Versäumnis und sollten daher nicht unser Problem sein.

Enorme Lohngefälle zwischen KollegInnen – von Angestellten nach Journalisten-KV in der Print- bis zu freien DienstnehmerInnen in der Online-Redaktion – vergiften das Betriebsklima und verunmöglichen eine befruchtende Zusammenarbeit zwischen Print und Online. Insbesondere im Hinblick auf die kommende räumliche Zusammenführung der Redaktionen ist der Status quo der Ungleichbehandlung nicht aufrechtzuerhalten.

Mit diesem Brief protestieren wir in aller Deutlichkeit gegen diese Ungleichbehandlung. Wir wenden uns damit an Sie persönlich, weil wir Sie als Eigentümer aufgrund Ihres Lebenswerks als Verbündeten im Bemühen um würdig entlohnten Qualitätsjournalismus sehen, der Probleme in diesem Bereich mit uns beheben möchte.

Tag für Tag investieren wir unsere Ideen und unser Können in dieses erfolgreiche Medium, das uns am Herzen liegt. Wir entwickeln die journalistische und ökonomische Zukunft des Unternehmens. Es ist an der Zeit, dass sich nun auch unsere Situation verbessert. Wir wissen, dass jedes Jahr im Herbst Budgetverhandlungen in der STANDARD Medien AG stattfinden. Aus diesem Grund wenden wir uns gerade jetzt an Sie. Wir Online-RedakteurInnen verdienen bessere Arbeitsbedingungen und eine gerechte Entlohnung.

Bitte nehmen Sie unser Anliegen ernst. Setzen Sie sich dafür ein, dass rasche Verbesserungen – Anstellungen, Gehaltserhöhungen und allgemein ein Umgang auf Augenhöhe – auch unabhängig von Verhandlungen über den Kollektivvertrag umgesetzt werden. Sorgen Sie für die längst fällige Besserstellung der Online-RedakteurInnen Ihres Hauses in finanzieller, sozialer und rechtlicher Hinsicht!

Mit freundlichen Grüßen,
die Journalistinnen und Journalisten von derStandard.at

Bronner reagiert mit schweren Geschützen gegen die Gewerkschaft

Standard“-Herausgeber Oscar Bronner signalisiert den Online-Journalisten seines Verlagshauses Gesprächs- und Verhandlungsbereitschaft. „Ihren Unmut kann ich verstehen. Selbstverständlich trete auch ich für faire Gehaltssysteme ein“, schrieb Bronner am Mittwoch an die standard.at-Redakteure. Zugleich verwies er aber auf die begrenzten finanziellen Möglichkeiten.

„Ich bin Ihr Verbündeter im Bemühen um würdig entlohnten Qualitätsjournalismus, und ich möchte die Probleme in diesem Bereich gemeinsam mit Ihnen beheben. Ich muss dabei allerdings auch auf die Leistbarkeit achten. Auf Basis des Zeitungs-KV wäre ein Online-Startup gar nicht möglich gewesen.“ Den Grundsatz vom gleichen Lohn für gleiche Arbeit erfülle derzeit keiner der österreichischen Kollektivverträge, weil diese immer jüngere Mitarbeiter benachteiligten. „Manche Kollektivverträge führen in einer Branche geradezu zu einer Umverteilung von unten nach oben. Dazu zählt leider der Tageszeitungs-KV“, so Bronner.

Der „Standard“-Herausgeber tritt deshalb auch für eine Änderung der ungleichen kollektivvertraglichen Situation zwischen Print und Online ein. „Daher habe ich es begrüßt, als die Verhandlungen für einen gemeinsamen Kollektivvertrag für alle Journalisten begannen, wobei eine Grundbedingung die Bereitschaft zum Verzicht auf unfinanzierbar gewordene Privilegien war. Es kann in niemandes Interesse sein, dass ein Kollektivvertrag, der die Existenz der Printmedien gefährdet, in Zukunft auch Online gefährdet.“

Dass die Verhandlungen über einen neuen Journalisten-KV zwischen Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) und Journalistengewerkschaft nun schon über drei Jahre dauern, empfinde er als unakzeptabel. Ebenso dass die Gewerkschaft bereits abgehakte Punkte wieder in Frage stellte. „Es entstand der Eindruck, dass die Gewerkschaft als Vertreter der Besitzstandswahrer die Verhandlungen nur so lang wie möglich hinausziehen wollten.“ Auch auf Kosten der Online-Journalisten, so die Kritik Bronners.

Er habe daher im VÖZ für eine Kündigung des Journalisten-KV gestimmt – „in der Hoffnung, dass wir auf diese Weise schneller zu einem Ergebnis kommen“. Der neue KV sei weitgehend ausverhandelt, „die offenen Punkte könnten bei gutem Willen in wenigen Tagen erledigt sein“.

Was die budgetären Möglichkeiten ohne Abschluss eines neuen KV betrifft, werde man beim „Standard“ im Budget entsprechende Vorsorgen treffen, so Bronner. „Dazu gibt es auch schon konkrete Gespräche mit Geschäftsführung und Betriebsrat.“ Bronner erinnerte seine Mitarbeiter auch daran, dass es heuer in der Online-Redaktion bereits zehn zusätzliche Anstellungen gegeben habe. „Ich glaube nicht, dass ein anderes Medium hier vergleichbare Zahlen aufweisen kann.“

Unterstützung aus mehreren Redaktionen:

Bei der Journalisten-Gewerkschaft, kurier.at, DiePresse.com, kleine.at, den Freien in ORF und „Wiener Zeitung“ wurde reagiert – und es wurden Unterstüzungserklärungen an die Kollegen übermittelt:

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24. Oktober 2012 at 3:57 pm 1 Kommentar

Die Demo: „Ich bin kein Schnäppchen“


Erfolgreiche Demonstration vor dem VÖZ: Hunderte (laut GPA-djp 800 Menschen) waren dem Aufruf gefolgt, gegen die Aufkündigung des KV zu demonstrieren. Viele junge Journalisten mit Spruchbändern, oftmals das Logo der neuen #Watchdog-Gruppierung, viele bekannte Gesichter von arrivierten Journalisten. Was wichtig ist: Eine Solidarisierung findet statt – der Präsident der Gewerkschaft, Franz C. Bauer hat unser „Online First“-Schild demonstrativ auf der Bühne in der Hand gehalten. Erreicht wurde jetzt mal, dass das VÖZ zurückzieht und die Kündigung des Kollektivvertrags per Jahresende „unter Umständen“ doch noch verschoben wird. Das muss man genau beobachten. Und – der Druck von uns muss weitergehen, denn es braucht noch viel Gehirnschmalz für einen neuen KV.

Das Video mit einer Stellungnahme der Mediengruppe Online:

–>Auf das Bild klicken für ein Panorama-Bild

 

Bilder und Videos hier:

http://diepresse.com/home/kultur/medien/1304180

http://derstandard.at/1350259037405/Protest-fuer-Journalisten-KV-Barack-wer

>> Live-Berichte auf paroli

>>Bericht auf neuwal.com

(felb)

22. Oktober 2012 at 4:01 pm Hinterlasse einen Kommentar

Unterstützung für den „Watchdog Journalism“


In den letzten Tagen hat sich eine Gruppierung von Journalisten aus den verschiedensten Medienhäusern formiert. Vertreten sind Print- und Online-Journalisten, Freie journalistische Mitarbeiter, An- und Nicht-Angestellte aus dem TV- und Radiobereich, aus dem öffentlich-rechtlichen Sektor und aus dem Privat-TV-und Radio-Bereich. Am Freitag gab es eine lange Diskussion über die derzeitigen Dienstverhältnisse, über die Rechte und Nicht-Rechte und über den Druck, der derzeit im Medienbereich auf die Mitarbeiter ausgeübt wird. Conclusio: Wir wollen dem Druck nicht weiter nachgeben, ganz im Gegenteil, die Gruppe „Watchdog Journalismus“ will sich für gleiche Rechte für gleiche Arbeit einsetzen.

Auch die Mediengruppe Online ist solidarisch – und ruft gemeinsam mit „Watchdog Journalismus“ zur Demo am Montag, dem 22. Oktober um 13 Uhr vor dem VÖZ auf. Weitersagen und hinkommen! Twittert am 22. Oktober unter dem Hashtag #watchdog!

Es gibt morgen auch Liveberichterstattung von Paroli: Hier zu finden

21. Oktober 2012 at 1:50 pm 1 Kommentar

Erhöhter Takt: Protestkundgebung, Watchdog und Arbeitsinspektorat


 

Nach und neben der Veröffentlichung unseres Offenen Briefes an den VÖZ sind mehrere weitere Maßnahmen und Vorbereitungen ins Rollen gekommen.

Ganz wichtig sei hier erwähnt, dass die Gewerkschaft zum Termin des nächsten Verhandlungstermins mit dem VÖZ zu einer öffentlichen Betriebsversammlung und Protestkundgebung vor dem Sitz des VÖZ aufruft:

>>Information auf ots.at

Auch in Graz, Salzburg und Innsbruck werden Proteste stattfinden.

Unterstützung dafür kommt dabei von Verena Fabris, Romy Grasgruber, Julia Hofmann, Simon Inou, Claudia Schäfer, Alexander Pollak, Philipp Sonderegger, Markus Wailand.

Sie haben auf Facebook folgendes veröffentlicht und zur Kundgebung aufgerufen (http://www.facebook.com/events/484459551576223/)

Der Watchdog Journalismus braucht uns!
Zivilgesellschaft für einen starken Journalismus!
Unterstützung für die Demo am 22. Oktober 2012

Wir bauen auf einen starken Demokratie-Watchdog Journalismus: Einrichtung des Korruption-U-Ausschusses, Tierschützer-Prozess oder Schließung der Saualm. Die Qualität journalistischer Arbeit steht und fällt mit den Arbeitsbedingungen in den Redaktionen.

Jetzt braucht der Demokratie-Watchdog Unterstützung: unabhängiger Journalismus darf nicht weiter ausgehungert werden. Um die Kosten weiter zu drücken, setzt der Verband Österreichischer Zeitungen auf die Spaltung der Redaktionen und hat den Kollektivvertrag gekündigt.

Wenn Regierungsinserate bis zu 10 Prozent des Umsatzes von Tageszeitungen ausmachen, wenn Verlage jährlich 10 Prozent Rendite und mehr aus ihren Häusern herausholen, wenn bei den Redaktionen weiter gespart wird, dann wird uns der Demokratie-Watchdog Journalismus eines Tages an der gespannten Kette tot umfallen.

Deshalb unterstützen wir die Protestmaßnahmen der Journalist/innen

Aber auch auf der rechtlichen Ebene wird der Takt erhöht: Wegen Verstößen gegen die Arbeitszeit wird nun das Arbeitsinspektorat eingeschaltet. Der stellvertretende Bundesgeschäftsführer der GPA-djp Karl Proyer. dazu: „Wir sind zwischenzeitlich überzeugt, dass in zahlreichen Konzerntochterbetrieben, welche den strittigen Kollektivvertrag für Werbung und Marktkommunikation Wien anwenden, geplant und daher regelmäßig Wochenendarbeit ohne ausreichende arbeitsruherechtliche Deckung durchgeführt wird.“
Wir sind gespannt auf die Überprüfungen.
Liebe Mitstreiter, bitte dranbleiben, weitere Aktionen folgen – hier wird immer so schnell wie möglich darüber berichtet.

 

14. Oktober 2012 at 6:13 pm Hinterlasse einen Kommentar


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