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Über Postings und die Welt
Michael Fleischhacker, Ex-Chefredakteur der „Presse“ und nunmehriger Koluminsit in mehreren österreichischen Tageszeitungen holt in seiner aktuellen Glosse „Über Gott und die Welt“ im „Kurier-Freizeit“ mit wuchtigem Schwung gegen Postings unter Artikeln auf Online-Plattformen aus. Im speziellen spricht er die Postins auf Etat.at an: Er wurde in einem der Postings persönlich angegriffen, holt hier also erst zu einem Gegenangriff auf, inklusive Zitat von Gerd Bacher: „Selbstinfektion mit dem eigenen Schmäh“.
Für Fleischhacker sind also die Postings im Branchenmagazin nichts anderes als eine „offene Digitalpsychiatrie für zu kurz gekommene“ im Medienbetrieb – für ihn sind das „Sozialkrüppel“.
Der Auslöser für diese Kolumne ist im ersten Moment ein persönlicher, allerdings wird hier ein Thema aufgegriffen, dass seit kurzem gleich in mehreren Verlagen besprochen wird: Wie soll man mit den Postings umgehen? Soll zensuriert werden? Oder sollen die Postings ganz entfernt werden, weil sie dem Ruf der Zeitung schaden? Wie derzeit oft zu beobachten wird die Diskussion auch hier von der falschen Seite gestartet: Nicht die Möglichkeiten des Mediums Internet sollen verbessert werden, sondern der Ausgangspunkt ist ein printjournalistischer Ansatz: Wieso muss ich mir meine Geschichte durch das Geifern im Forum zerpflücken lassen? Ein sehr individueller Ansatz, der auch für Online-Redakteure nachvollziehbar ist. Doch die Gefahr ist groß, dass deshalb die falschen Schlüsse gezogen werden.
Ein schwieriges Thema. Denn: Die Möglichkeiten des Mediums Internet sollten – wenn es nach der Ansicht von Online-Experten geht – nicht beschnitten werden. Man kann und sollte die Energie und den Output, der hier entsteht, in geordnete Bahnen lenken. Das Internet lebt von der User-Beteiligung. Wird die Beschränkung zu hoch, entsteht ein digitaler Elfenbeinturm, der in diesem Medium nichts verloren hat. Die Befürchtung ist allerdings groß, dass dieses hochkomplexe Thema ohne den Input von Experten entschieden wird.
Wird aus dem Online-Journalismus Roboter-Journalismus?
Immer öfter wird nachgedacht über automatisch generierte Inhalte. Wie weit kann und darf das gehen? Hier einige Überlegungen dazu vom Social Media Club Austria.
Sind automatisch generierte Inhalte die Zukunft der Zeitung?
Journalismus wurde in den letzten Jahren dank des Internet zu einer kontroversiellen Thematik. Der Informations-Boom ist nicht mehr so einfach zu bewältigen, man muss rund um die Uhr connected sein. Dafür kann man sich des User Generated Content bedienen und die Nachrichten aus mehreren Quellen überprüfen.
Eines ist klar: Journalismus, wie wir ihn heute kennen, wird es bald nicht mehr geben. Die Schnelligkeit mit der Journalisten agieren müssen wurde durch das Internet akzeleriert, so dass man entweder Redaktionen ausbauen oder Roboter einsetzen muss, um die große Menge an Information rechtzeitig zu bewältigen.
Forbes und Bloomberg haben schon den ersten Schritt in diese Richtung mit Narrative Science und Automated Insights gemacht.
Wenn man wirklich zwischen den Texten eines Computer-Algorithmus und einem Journalisten nicht unterscheiden kann, ist es wahrscheinlich gar keine schlechte Idee, Teile einer Redaktion zu automatisieren. Insbesondere in den Bereichen, wo es eher um Daten- und Zahlenanalyse geht (bspw. Aktien- und Sportberichte).
VÖZ kündigt KV „präventiv“ – was heißt das für Online-Redakteure
Der VÖZ kündigt den Journalisten-KV per Jahresende auf. Manche Online-Journalisten, die in ganz anderen KVs sind, sind der Meinung, das betrifft nur Redakteure, die im alten KV sind. Dem ist aber nicht so: Denn mit der Aufkündigung gibt es keine Chance mehr, den neuen KV umzusetzen, damit ist die Chance auf Gleichstellung zwischen Print und Online dahin, jahrelange Vorbereitung und Verhandlung wird vom VÖZ weggewischt. Und achtung: Beim VÖZ steht wohl kaum das Wohl der Jungen im Vordergrund.
VÖZ kündigt Journalisten-KV präventiv zum Jahresende 2012
Gasser und Bergmann fordern neuen Journalisten-KV bis zum 31. 12. – Appell an Journalistengewerkschaft: „Im Interesse der Jungen gemeinsam an einem Strang ziehen“Wien (OTS) – Nach reiflichen Überlegungen haben die Vorstandsmitglieder des Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ) bei ihrer gestrigen Sitzung einstimmig beschlossen, den Journalisten-Kollektivvertrag mit Jahresende 2012 präventiv zu kündigen.
„Im Hinblick auf die sich verschlechternden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und das nahende Ende des vierten Verhandlungsjahres sieht es der Vorstand des VÖZ als geboten an, die Branche und den journalistischen Nachwuchs nicht dem Risiko weiterer ergebnislos verstreichender Verhandlungsjahre auszusetzen“, betonten VÖZ-Präsident Hans Gasser und Geschäftsführer Gerald Grünberger in ihrem gemeinsamen Schreiben an die Journalistengewerkschaft. Gleichzeitig unterstreichen sie, dass der VÖZ nach einer beiderseitigen Unterzeichnung des neuen Kollektivvertrages vor dem 31. Dezember 2012 die Kündigungserklärung zurückzieht.
Gasser und Grünberger schließen sich der Auffassung der Journalistengewerkschaft an, die Franz C. Bauer in einer APA-Meldung vom 11. September artikuliert hat, dass ein Konsens bei den Verhandlungen bis zum Jahresende möglich sei. „Der Abschluss der weit vorangeschrittenen Verhandlungen ist uns ein großes Anliegen. Ein neuer KV ist von essentieller Bedeutung für die Branche.“ Der VÖZ appelliert daher an die Journalistengewerkschaft „im Interesse der jungen Journalisten gemeinsam an einem Strang zu ziehen“ und die Kollektivertragsverhandlungen bis zum Jahresende abzuschließen. „Wir verbleiben in der Hoffnung, die weit gediehenen, jedoch aus nicht nachvollziehbaren Gründen äußerst schleppend verlaufenden Verhandlungen noch im laufenden Verhandlungsjahr zu einem Abschluss zu bringen“, betonten der VÖZ-Präsident und der Geschäftsführer im Kündigungsschreiben an die Gewerkschaft.
Zum Hintergrund: Seit 2009 verhandeln Verlegerverband und Journalistengewerkschaft in 31 Verhandlungsrunden zu je circa sechs Stunden an einem neuen Kollektivvertrag, der auch für Onlinejournalisten gelten soll. Dabei wurden bereits weitreichende Ergebnisse erzielt, wie Arbeitszeitregelungen auf Basis einer 5-Tage-Woche, erhebliche Qualitätsverbesserung bei der Journalistenausbildung und Neuschaffung einer umfassenden Sabbatical-Regelung von bis zu einem Jahr. Beim neuen Gehaltsschema lagen die Vorstellungen der beiden Verhandlungsparteien nur 50 bis 150 Euro auseinander. In der letzten Verhandlung vom 18. Juni wischte die Gewerkschaft diese mühsam erzielten Kompromisse handstreichartig vom Tisch und forderte ein komplett anderes und deutlich teureres Gehaltsschema. Daraufhin brach der VÖZ die Verhandlungen ab, zeigte sich jedoch weiterhin verhandlungsbereit unter der Bedingung, dass sich die Gewerkschaft zu den bereits akkordierten Einigungen bekennt. Nach elf Wochen Funkstille hat die Arbeitnehmerseite zwar am 21. September neue Terminvorschläge für weitere Verhandlungen im Herbst übermittelt, die Zusage der Gewerkschaft auf Basis der bestehenden Kompromisse weiter zu verhandeln, fehlt aber bis heute. Auf Seiten des VÖZ wurde in der Vorstandssitzung vom 26. September Standard-Geschäftsführer Wolfgang Bergmann zum neuen Verhandlungsführer bestellt. Der scheidende Verhandlungsleiter Hermann Petz unterstützt diesen Schritt der präventiven Kündigung ausdrücklich, wünscht dem Verhandlungsteam alles Gute und betont: “Die Kündigung wirkt sich nicht auf bestehende Angestelltenverhältnisse aus.“ Der KV gilt jedoch ab 1. Jänner 2013 nicht mehr für neu eintretende Journalisten.
„Die Printmedien werden wegen der Umwälzungen in der Branche auch dann unter großem Druck stehen, wenn sich die Konjunktur verbessert. Mit der Kostenstruktur des jetzigen Kollektivvertrages, der immer noch 15 Gehälter hat, ist die Zukunft akut gefährdet. Das kann auch nicht im Interesse der Mitarbeiter sein. Da wir schon knapp vor einer Einigung standen, ist das Ziel eines Abschlusses bis Jahresende immer noch realistisch – wenn beide Seiten wollen, wir wollen jedenfalls!“, betonte VÖZ-Verhandlungsführer Bergmann abschließend.
Das war das fünfte Medientreffen
Das insgesamt fünfte Medientreffen war wieder ein voller Erfolg. Vielen Dank an Judith Reitstätter von der GPA, die einen Einblick in die Arbeit der Journalistengewerkschaft gegeben hat.
Unsere Forderungen für den Online-Journalismus
Meyers Online Lexikon beschreibt einen Journalisten als
„Publizist, der haupt- oder freiberuflich für Zeitungen, Zeitschriften, Nachrichten- und Pressedienste, bei Film, Funk und Fernsehen tätig und durch die Verbreitung von Informationen von großem Einfluss auf die öffentliche Meinung ist.“
Diese Definition hat einen gravierenden Fehler: Es fehlt der Bereich Online.
Warum?
Der „Ehrenkodex für die österreichische Presse“ des verblichenen Presserats richtete sich „an alle, denen Aufgaben der Information und der Kommentierung der Zeitereignisse anvertraut sind, sich stets der Verpflichtung zur Wahrhaftigkeit, Sauberkeit und Korrektheit bewusst zu sein.“
Auch hier fehlt der Begriff Online komplett.
Heißt das, dass Online-Journalisten nicht nach Grundsätzen handeln sollen wie „Journalismus heißt Verantwortung tragen, und zwar gegenüber der Öffentlichkeit, dem betreffenden Medium und dem eigenen Gewissen. Demnach sind Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Bericht oberste Verpflichtung des Journalisten. Dies gilt auch für die Beschaffung von Nachrichten, Bildern und sonstigem Informationsmaterial“?
Geht wirklich Gefäß vor Inhalt?
Wir sagen: Nein.
Qualität ist keine Frage der Verpackung, sondern des jeweiligen Anspruchs. Den stellen nicht nur wir an uns selber, den erwarten und fordern auch unsere Leser und Nutzerinnen. In der steigenden Flut der Online-Angebote sind ebenso fixe Ankerpunkte der objektivgen Informationsangebote notwendig, wie sie die „klassischen“ Medien seit Jahrzehnten offerieren. Wir wollen und können sie bieten, wenn man uns die dazu zwingend notwendigen Möglichkeiten und Absicherung bietet.
Genagelte Schuhe gibt es auch nicht im Billigsupermarkt um die Ecke.
Daher fordern wir:
Lesen sie mehr…
Der Umgang mit den Usern
Im Print werden sie gemeinhin als Leserinnen und Leser tituliert, außer lesen und vielleicht Leserbriefschreiben dürfen sie da nicht viel. Der user generated content ist aber auch nicht das, was er einmal sein wollte und sollte. Meint auch Stefan Niggemeier in der FAS.
Brauchen JournalistInnen eine Online-Identität?
Nun ja, besser als gar keine, könnte man sagen. Mallary Tenore fasst eine entsprechende Debatte jedenfalls schön zusammen. JournalistInnen, die lange Zeit ihren Beruf als „dunkle Geheimkunst“ ausgeübt haben, bekommen mittlerweile dank Web zuordenbare und angreifbare Eigenschaften. Links, Kommentare, Blogeinträge etc.
Ego-Googlen wird dementsprechend beliebter, es soll KollegInnen geben, die sich per GoogleAlert über ihre Nennung im Web informieren lassen. Manche sind mittlerweile sogar schon in der Lage, bewegte Bilder von sich ins Netz zu stellen (bzw. stellen zu lassen – z.B. hier oder hier). Ist das denn wirklich nötig? Macht das den Journalisten wirklich schon transparenter, wofür sich ja argumentieren ließe, oder handelt es sich dabei nicht vielmehr um ein profundes Missverständnis von Online-Journalismus: endlich die eigene TV-Show für den Printjournalisten?
„Nur wenige werden überleben…“
Im Interview mit onlinejournalismus.de erklärt Neo-Spiegel-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron, warum guter Journalismus im Netz Zukunft hat und wer den harten Konkurrenzkampf in Deutschland überleben könnte. Das Interview stammt bereits aus 2003, vieles ist aber wohl nach wie vor gültig.
DSDÖB: Diskussion sucht den Österreich-Beitrag
Interessant an dieser „Blogger vs. Journalisten“-Diskussion letzte Woche in Berlin sind ja die Reaktionen. Hier werden gleich mal an die 30 angeführt, auch bei Telepolis ein schöner Überblick. Auffallend und symptomatisch für Bewusstseinsstand und Undiskussionskultur hierzulande: Beiträge aus Österreich habe ich bis jetzt keinen entdecken können. Wer doch einen findet: bitte verlinken!
Lukas Wieselberg
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